Theodor Storm (1817-1888)
aus Theodor Storms Kindheit
"Einen großen Zeitraum von mehreren Jahren habe ich meine ganze Freizeit außer der Schule mit der Direktion meines Puppentheaters ausgefüllt; zwei Schulkameraden, Krebs und Olhuus, waren dabei meine Gehilfen. Eine alte Jungfrau, bei der Olhuus wohnte, half uns die Puppen, die freilich nur von Papier waren, ausschneiden und eiserne Drähte daran befestigen. Sie ließ in den Aufführungen den Papageno tanzen und sang dazu mit einer schönen Fistelstimme:
"Der Vogelhändler bin ich ja,hops heisa lustig, hopsasa!", was mir die ungemischteste Freude machte.
Das Theater hatten wir anfänglich mitten in der Stube, späterhin zwischen zwei Stuben in der offenen Tür. Alles war so verhangen, daß wir nicht dabei zu sehen waren. Das Geheimnisvolle hatte den größten Reiz für uns. Das Zimmer für die Zuschauer, die meist aus der lieben Nachbarschaft und den Dienstboten bestand, blieb stets ohne jegliche Beleuchtung, damit das Aufrollen des Vorhanges einen noch zauberhafteren Eindruck machte.
Das erste Stück, das wir aufführten, war aus einer Gedichtsammlung eines gewissen Petzel aus Tönning und stellte die Geburtstagsfeier eines Grafen Rantzau vor. Obgleich die Puppen steif waren, so erntete doch eine jugendliche Figur, welche die junge Gräfin Sophie vorstellte, besonderen Beifall. Ich erinnere mich, daß sie mir besonders lieblich vorkam, so daß ich beinah eine Art phantastischer Neigung für sie bekam. Meine verstorbene Schwester Lucie, die ich von allen Geschwistern am meisten liebte, sprach nach dieser Vorstellung auch öfters von der "niedlichen Gräfin Sophie".
Mit Todstechen, wie der Wilhelm Meister, haben wir nie etwas zu tun gehabt, dagegen gelang uns Donner und Blitz vorzüglich mit Kupferplatten und Hexenpulver. Aber, o weh, als ein papierener, bunter Regenbogen ganz zierlich an einem Zwirnsfaden heruntergelassen wurde, krellte sich der Zwirn und der Regenbogen zeigte seine weiße Kehrseite.
Das zweite Stück, das zur Aufführung gelangte, waren Schillers "Räuber". Bald aber genügten uns die fremden Theaterstücke nicht mehr, auch konnten wir so recht keine finden, die uns in den Kram paßten. Gellerts Schäferspiele, die ich zu dem Ende eifrig studierte, schienen mir schließlich doch viel zu altmodisch. Olhuus, Krebs und ich beschlossen daher, die dramatischen Sachen selbst zu liefern.
Und wirklich, jeder lieferte ein Stück! In meinem spielte Kasperle die Hauptrolle. Er hatte zwei durch den Eigensinn des Vaters getrennte Liebende zu vereinigen. Krebs dagegen ließ einen alten Mann auftreten, der voll Gram über seinen verwilderten entwichenen Sohn war. Er machte eine Reise, um ihn aufzusuchen. In einem Walde wird er von einem Räuber überfallen und erkennt in ihm seinen Sohn. Nun folgten Reue,Verzweiflung, Versöhnung und - Tränen. Zur Aufführung dieser Stücke wurden große Vorkehrungen getroffen. Ich malte Felsdekorationen mit unzähligen Uhus, Fledermäusen und Teufeln mit roten Augen.
Aber bald genügten mir die platten Papierpuppen nicht mehr.
mitgeteilt von Gertrud Storm in Westermanns Monatsheften, September 1917
"Der Vogelhändler bin ich ja,hops heisa lustig, hopsasa!", was mir die ungemischteste Freude machte.
Das Theater hatten wir anfänglich mitten in der Stube, späterhin zwischen zwei Stuben in der offenen Tür. Alles war so verhangen, daß wir nicht dabei zu sehen waren. Das Geheimnisvolle hatte den größten Reiz für uns. Das Zimmer für die Zuschauer, die meist aus der lieben Nachbarschaft und den Dienstboten bestand, blieb stets ohne jegliche Beleuchtung, damit das Aufrollen des Vorhanges einen noch zauberhafteren Eindruck machte.
Das erste Stück, das wir aufführten, war aus einer Gedichtsammlung eines gewissen Petzel aus Tönning und stellte die Geburtstagsfeier eines Grafen Rantzau vor. Obgleich die Puppen steif waren, so erntete doch eine jugendliche Figur, welche die junge Gräfin Sophie vorstellte, besonderen Beifall. Ich erinnere mich, daß sie mir besonders lieblich vorkam, so daß ich beinah eine Art phantastischer Neigung für sie bekam. Meine verstorbene Schwester Lucie, die ich von allen Geschwistern am meisten liebte, sprach nach dieser Vorstellung auch öfters von der "niedlichen Gräfin Sophie".
Mit Todstechen, wie der Wilhelm Meister, haben wir nie etwas zu tun gehabt, dagegen gelang uns Donner und Blitz vorzüglich mit Kupferplatten und Hexenpulver. Aber, o weh, als ein papierener, bunter Regenbogen ganz zierlich an einem Zwirnsfaden heruntergelassen wurde, krellte sich der Zwirn und der Regenbogen zeigte seine weiße Kehrseite.
Das zweite Stück, das zur Aufführung gelangte, waren Schillers "Räuber". Bald aber genügten uns die fremden Theaterstücke nicht mehr, auch konnten wir so recht keine finden, die uns in den Kram paßten. Gellerts Schäferspiele, die ich zu dem Ende eifrig studierte, schienen mir schließlich doch viel zu altmodisch. Olhuus, Krebs und ich beschlossen daher, die dramatischen Sachen selbst zu liefern.
Und wirklich, jeder lieferte ein Stück! In meinem spielte Kasperle die Hauptrolle. Er hatte zwei durch den Eigensinn des Vaters getrennte Liebende zu vereinigen. Krebs dagegen ließ einen alten Mann auftreten, der voll Gram über seinen verwilderten entwichenen Sohn war. Er machte eine Reise, um ihn aufzusuchen. In einem Walde wird er von einem Räuber überfallen und erkennt in ihm seinen Sohn. Nun folgten Reue,Verzweiflung, Versöhnung und - Tränen. Zur Aufführung dieser Stücke wurden große Vorkehrungen getroffen. Ich malte Felsdekorationen mit unzähligen Uhus, Fledermäusen und Teufeln mit roten Augen.
Aber bald genügten mir die platten Papierpuppen nicht mehr.
mitgeteilt von Gertrud Storm in Westermanns Monatsheften, September 1917