Julius Stinde - Familie Buchholz
Kapitel "Ein Geburtstag"
Vor zwei Weihnachten schenkte Onkel Fritz den Kindern ein Puppentheater, womit wir ganz einverstanden waren, wenn sie sich damit beschäftigten. Selbst wenn der kleine Krause zu Besuch kommt und Heimreichs dreie aus der Müllerstraße, geht es ohne Lärm her, sobald sie das Puppentheater vorhaben. Sonst spielen sie immer "Wie gefällt Dir Dein Nachbar?" oder "Räuber und Soldat", wobei es nie ohne Spektakel abging und einmal sogar die Scheibe von der Servante eingestoßen wurde, worin das gute Porzellan steht. Mein Mann schenkt den Mädchen daher auch hin und wieder einige Groschen, damit sie sich Bilderbogen kaufen und neue Figuren für das Theater zurechtpappen können. Das ist immer noch vorteilhafter, als wenn etwas entzwei gebrochen wird."Die Scheibe vom Spinde kostete bar acht Mark! Neulich war nun Emmis Geburtstag, und weil es ein Aufwaschen war, bat ich die Eltern auch, während Emmi ihre Kindergesellschaft hatte.
Den Kindern war das Eßzimmer überlassen. Nachdem sie ihre Schokolade getrunken hatten, bauten sie das Puppentheater auf und stellten Stühle davor, ordentlich wie im Theater. Dann kam der kleine Krause und lud uns Großen ein, die Vorstellung zu besuchen, und wir gingen denn auch alle hin. Die Damen saßen gleich vornean, die Herren mußten an der Wand stehen, denn das Geschleppe mit den Plüschstühlen aus der guten Stube duldete ich nicht.
Als wir so sitzen und der Dinge harren, die da kommen sollen, sagt Frau Heimreich zu mir, daß sie eigentlich nicht sehr dafür wäre, wenn die Kinder sich mit Komödie beschäftigten, es machte so phantasiereich. Ich erwiderte: "Im Gegenteil, es bildet Herz und Gemüt und ist eine bessere Beschäftigung als das Skandalmachen, wobei leicht Spiegelscheiben und Schränke eingerannt werden." Den Stich hatte sie weg, denn ihre Anges war damals Schuld an dem Malheur gewesen. So schwieg sie denn auch still.
Endlich ging der Vorhang auf. Onkel Fritz fing an zu applaudieren, obwohl noch nichts geschehen war; er meinte wohl, im Viktoriatheater zu sein, wo die Dekorationen immer den meisten Beifall bekommen. Hier war jedoch gar nichts zu beklatschen, denn die Szenerie stellte ein einfaches Zimmer dar. Aber Onkel Fritz will einmal als Kenner gelten.
Die Kinder fingen an zu sprechen. Meine Emmi schob eine der weiblichen Figuren nach vorne und sagte ganz laut und vernehmlich:"Guten Morgen, meine Damen. Nee, ich kann nicht anders, als Ihnen mein Herz auszuschütten. Denken sie sich, die Rosalie, das leichtsinnige Geschöpf, kokettiert nun schon mit meinem Wachtmeister."
"Das fängt ja nett an!" flüsterte Frau Heimreich mir zu. - "Wer wird denn gleich alles auf die Goldwaage legen," sagte ich. Ein bißchen sonderbar fand ich das Stück auch, aber der Heimreichen gegenüber wollte ich mir nichts merken lassen.
Die Kinder spielten weiter und Emmi fuhr fort: "Na es ist auch kein gutes Haar an dem Frauenzimmer. Hat Sie Ihnen nicht auch Ihre Liebhaber abspenstig zu machen gesucht, das fatale Ding? "
'Ja freilich! Ja freilich!' antworteten die anderen Kinder im Chor und bewegten die Puppen an ihren Drähten. Sogar der kleine Krause stimmte mit ein, er wurde deshalb weggeschickt und kam weinerlich hinter den Bettschirm hervor, mit dem die Kinder das Puppentheater auf der Seite verstellt hatten, damit man sie nicht sehen konnte.
"Mir scheint, die Sache wird immer heiterer!" sagte Frau Heimreich ziemlich laut. Ich tat, als wenn ich nicht merkte, was sie meinte und sagte deshalb zum kleinen Krause: "komm nur zu mir, Eduard, von hier siehst du's am allerbesten!" - "Ich denke, das Kind täte gut, wenn es von solcher Art Komödie gar nichts sähe", bemerkte Frau Heimreich spitz. Ich schwieg. Nun erschienen auf der Bühne zwei Puppen, die davon redeten, daß sie heimlich verheiratet seien, einen Sohn hätten, von dem die Eltern nichts wüßten, und dergleichen Anzüglichkeiten mehr. Hierauf kam ein alter Sünder, der mit Rosalie poussierte und zwei Flaschen Champagner mitbrachte, auf die er zwei Zehnthalerscheine geklebt hatte. Frau Heimreich machte in einem fort spöttische Bemerkungen: "Das bildet wohl Herz und Gemüt? Es ist doch besser, Glasscherben nehmen Schaden als Kinderherzen!" - Konnte ich ihr recht geben? Es wäre wohl richtiger gewesen, allein sie war zu impertinent, so daß ich nur sagte: "So etwas wie auf der Bühne kommt im Leben oft vor!" - "Solche Erfahrungen habe ich noch nicht gemacht!" - "Wenn man sich blind und taub stellt, sieht und hört man natürlich nichts von der Welt!"
Zum Glück fiel der Vorhang und der erste Akt war vorbei, Onkel Fritz und der kleine Krause waren die einzigen, die applaudierten. Ich klatschte natürlich auch mit, bloß um Frau Heimreich zu zeigen, daß ich mich um ihr Geschwätz durchaus nicht kehrte.
Nun kam der zweite Akt. Es wurde ein Kind ausgesetzt, Rosalie findet es, ein Mann sagt ihr, es wäre ihr Kind. " Ich bin Stickmamsell, wie käme ich denn zu so was!" rief meine Emmi,die Rosalies Rolle zu sprechen hatte.
Mir war es schon öfters heiß und kalt heruntergelaufen, und jetzt konnte ich nicht länger an mir halten. " Es ist aus mit der Komödie!" rief ich, "Das geht mir denn doch über allen Spaß!" Ich sprang auf. "Bei Ihnen lernen die Kinder ja nette Dinge!" rief Frau Heimreich. "Herz und Gemüt! Ja, die kommen auf die Rechnung. Das muß man sagen!" Dann rief sie. "Agnes, Paula, Martha, ihr kommt zu mir! Von solchem Unfug will ich nichts wissen. Wir sind eine respektable Familie. Euer Großvater, mein seliger Vater, hatte den roten Adlerorden!"
"Aber man bloß vierter Güte," warf ich ein. Denn wenn sie nur irgend kann, bringt sie den alten Mann mit seinem Orden aufs Tapet. Die Kinder kamen hinter dem Bretterschirm mit trübseligen Gesichtern hervor. Meine fingen an, laut zu weinen und der kleine Krause fing mit an zu heulen. Es war das reine unterbrochene Opferfest. "Warum bist Du denn so böse, Mamma?" flennte Emmi. "Ach was!" sagte ich, "wie könnt ihr so dummes Zeug aufführen?" "Bloß dumm?" fragte Frau Heimreich "Wo habt ihr das Stück her?" inquirierte ich. - "Vom Buchbinder!" antwortete Emmi und brachte mir ein Büchlein, dessen Titel lautete: "Eine leichte Person. Posse in drei Akten von Büttner und Pohl. Für Kindertheater bearbeitet von Dr. Sperzius, Neu-Ruppin, Verlag von Oehmigke & Riemschneider". - " Das wird ein schöner Doktor sein, der Spuzius oder Sperenzius", sagte Frau Heimreich. "Schämen sollte er sich." - Nun mischte sich Onkel Fritz ein. "Eine gute Posse", sagte er, " sie ist viel großen Bühnen gespielt worden." -
"Jawohl!" rief ich, "eine Posse für einzelne Herrn! Aber was Dir als ledigen Junggeselle gefällt, braucht deshalb noch nicht gut zu sein! ich hoffe nicht, daß Du sie kennst, Karl?" fragte ich meinen Mann. Er erinnerte sich nicht genau.
Frau Heimreich bohrte wieder nach. Ich als Mutter hätte nicht dulden dürfen, daß solche Bücher in mein Haus kämen, worauf ich sagte, ich hätte mehr zu tun, als darauf aufzupassen; bei mir könnten die Leute, die uns besuchten, ihren Namen nicht anstatt der Visitenkarte in den Staub schreiben , der anderswo fingerdick auf den Möbeln läge. Ein Wort gab das andere und sie verließ uns, indem sie sagte, sie würde nie wiederkommen, auch ihren Kindern erlaube sie nicht, ein derartiges Gomorrha zu betreten, wie unser Haus sei. Eigentlich war's mir recht, denn meine beiden sind doch schon zu groß für Heimreichs drei Jüngste, und wenn die Heimreichen sich auch mit ihrer Moral brüstet, glaube ich doch, sie ist nur solange fromm, als sie am Sonntag in der Kirche sitzt.
Die Kinder weinten schrecklich, als Heimreichs gingen. ich gab ihnen Schokolade und Kuchen, obwohl sie gerade genug gehabt hatten; aber bei Kindern ist immer noch ein Platz, und das war in diesem Fall sehr gut, denn so wurden die wenigstens ruhig... Krauses blieben, und als wir wieder in der guten Stube saßen, kam die Rede natürlich auf das infame Buch, das soviel Unheil angerichtet hatte. Herr Krause meinte, es sei unverantwortlich, solches Zeug den Kindern in die Hände zu geben. Onkel Fritz entgegnete, die seien viel zu dumm, sie wüßten noch gar nicht, um was es sich handele. "Aus kleinen Kindern werden Erwachsene!" sagte mein Mann. - "Jugendeindrücke haften fürs ganze leben!" setzte Frau Krause hinzu. - "Die Kinder hätten ja bloß 'Schneewittchen' oder 'Rübezahl' aufzuführen brauchen," rief ich, "daß ihnen auch gerade so eine Dummheit wie die 'Leichte Person' in die Hände geraten mußte!"
Onkel Fritz meinte, wir hätten die Kinder ruhig zu Ende spielen lassen sollen. Das wäre das beste gewesen. Das Aufsehen war ganz unnötig. - Ich wusch ihm aber nicht schlecht den Kopf, denn Onkel Fritz ist mein jüngster Bruder. Sein albernes Theater sei an allem schuld. Er wälzte es aber von sich auf den Buchdrucker und Dr. Sperenzius, oder wie er heißt, ab. Es gab eine allgemeine Verstimmung. Nun frage ich Sie, Herr Redakteur, ist es zu verantworten, daß Fabrikanten und Händler unter der harmlosen Bezeichnung 'für Kindertheater bearbeitet' Schriften zum Verkauf bringen, die für die Kinderwelt passen, wie die Faust auf's Auge? Wo ist ein Gesundheitsamt gegen die Verfälschung geistiger Nahrungsmittel?
Ihre ergebene Wilhelmine Buchholz geb. Fabian
P.S. Das Buch füge ich bei. Sie sehen, daß ich die schlimmsten Stellen noch gar nicht angeführt habe.
Vor zwei Weihnachten schenkte Onkel Fritz den Kindern ein Puppentheater, womit wir ganz einverstanden waren, wenn sie sich damit beschäftigten. Selbst wenn der kleine Krause zu Besuch kommt und Heimreichs dreie aus der Müllerstraße, geht es ohne Lärm her, sobald sie das Puppentheater vorhaben. Sonst spielen sie immer "Wie gefällt Dir Dein Nachbar?" oder "Räuber und Soldat", wobei es nie ohne Spektakel abging und einmal sogar die Scheibe von der Servante eingestoßen wurde, worin das gute Porzellan steht. Mein Mann schenkt den Mädchen daher auch hin und wieder einige Groschen, damit sie sich Bilderbogen kaufen und neue Figuren für das Theater zurechtpappen können. Das ist immer noch vorteilhafter, als wenn etwas entzwei gebrochen wird."Die Scheibe vom Spinde kostete bar acht Mark! Neulich war nun Emmis Geburtstag, und weil es ein Aufwaschen war, bat ich die Eltern auch, während Emmi ihre Kindergesellschaft hatte.
Den Kindern war das Eßzimmer überlassen. Nachdem sie ihre Schokolade getrunken hatten, bauten sie das Puppentheater auf und stellten Stühle davor, ordentlich wie im Theater. Dann kam der kleine Krause und lud uns Großen ein, die Vorstellung zu besuchen, und wir gingen denn auch alle hin. Die Damen saßen gleich vornean, die Herren mußten an der Wand stehen, denn das Geschleppe mit den Plüschstühlen aus der guten Stube duldete ich nicht.
Als wir so sitzen und der Dinge harren, die da kommen sollen, sagt Frau Heimreich zu mir, daß sie eigentlich nicht sehr dafür wäre, wenn die Kinder sich mit Komödie beschäftigten, es machte so phantasiereich. Ich erwiderte: "Im Gegenteil, es bildet Herz und Gemüt und ist eine bessere Beschäftigung als das Skandalmachen, wobei leicht Spiegelscheiben und Schränke eingerannt werden." Den Stich hatte sie weg, denn ihre Anges war damals Schuld an dem Malheur gewesen. So schwieg sie denn auch still.
Endlich ging der Vorhang auf. Onkel Fritz fing an zu applaudieren, obwohl noch nichts geschehen war; er meinte wohl, im Viktoriatheater zu sein, wo die Dekorationen immer den meisten Beifall bekommen. Hier war jedoch gar nichts zu beklatschen, denn die Szenerie stellte ein einfaches Zimmer dar. Aber Onkel Fritz will einmal als Kenner gelten.
Die Kinder fingen an zu sprechen. Meine Emmi schob eine der weiblichen Figuren nach vorne und sagte ganz laut und vernehmlich:"Guten Morgen, meine Damen. Nee, ich kann nicht anders, als Ihnen mein Herz auszuschütten. Denken sie sich, die Rosalie, das leichtsinnige Geschöpf, kokettiert nun schon mit meinem Wachtmeister."
"Das fängt ja nett an!" flüsterte Frau Heimreich mir zu. - "Wer wird denn gleich alles auf die Goldwaage legen," sagte ich. Ein bißchen sonderbar fand ich das Stück auch, aber der Heimreichen gegenüber wollte ich mir nichts merken lassen.
Die Kinder spielten weiter und Emmi fuhr fort: "Na es ist auch kein gutes Haar an dem Frauenzimmer. Hat Sie Ihnen nicht auch Ihre Liebhaber abspenstig zu machen gesucht, das fatale Ding? "
'Ja freilich! Ja freilich!' antworteten die anderen Kinder im Chor und bewegten die Puppen an ihren Drähten. Sogar der kleine Krause stimmte mit ein, er wurde deshalb weggeschickt und kam weinerlich hinter den Bettschirm hervor, mit dem die Kinder das Puppentheater auf der Seite verstellt hatten, damit man sie nicht sehen konnte.
"Mir scheint, die Sache wird immer heiterer!" sagte Frau Heimreich ziemlich laut. Ich tat, als wenn ich nicht merkte, was sie meinte und sagte deshalb zum kleinen Krause: "komm nur zu mir, Eduard, von hier siehst du's am allerbesten!" - "Ich denke, das Kind täte gut, wenn es von solcher Art Komödie gar nichts sähe", bemerkte Frau Heimreich spitz. Ich schwieg. Nun erschienen auf der Bühne zwei Puppen, die davon redeten, daß sie heimlich verheiratet seien, einen Sohn hätten, von dem die Eltern nichts wüßten, und dergleichen Anzüglichkeiten mehr. Hierauf kam ein alter Sünder, der mit Rosalie poussierte und zwei Flaschen Champagner mitbrachte, auf die er zwei Zehnthalerscheine geklebt hatte. Frau Heimreich machte in einem fort spöttische Bemerkungen: "Das bildet wohl Herz und Gemüt? Es ist doch besser, Glasscherben nehmen Schaden als Kinderherzen!" - Konnte ich ihr recht geben? Es wäre wohl richtiger gewesen, allein sie war zu impertinent, so daß ich nur sagte: "So etwas wie auf der Bühne kommt im Leben oft vor!" - "Solche Erfahrungen habe ich noch nicht gemacht!" - "Wenn man sich blind und taub stellt, sieht und hört man natürlich nichts von der Welt!"
Zum Glück fiel der Vorhang und der erste Akt war vorbei, Onkel Fritz und der kleine Krause waren die einzigen, die applaudierten. Ich klatschte natürlich auch mit, bloß um Frau Heimreich zu zeigen, daß ich mich um ihr Geschwätz durchaus nicht kehrte.
Nun kam der zweite Akt. Es wurde ein Kind ausgesetzt, Rosalie findet es, ein Mann sagt ihr, es wäre ihr Kind. " Ich bin Stickmamsell, wie käme ich denn zu so was!" rief meine Emmi,die Rosalies Rolle zu sprechen hatte.
Mir war es schon öfters heiß und kalt heruntergelaufen, und jetzt konnte ich nicht länger an mir halten. " Es ist aus mit der Komödie!" rief ich, "Das geht mir denn doch über allen Spaß!" Ich sprang auf. "Bei Ihnen lernen die Kinder ja nette Dinge!" rief Frau Heimreich. "Herz und Gemüt! Ja, die kommen auf die Rechnung. Das muß man sagen!" Dann rief sie. "Agnes, Paula, Martha, ihr kommt zu mir! Von solchem Unfug will ich nichts wissen. Wir sind eine respektable Familie. Euer Großvater, mein seliger Vater, hatte den roten Adlerorden!"
"Aber man bloß vierter Güte," warf ich ein. Denn wenn sie nur irgend kann, bringt sie den alten Mann mit seinem Orden aufs Tapet. Die Kinder kamen hinter dem Bretterschirm mit trübseligen Gesichtern hervor. Meine fingen an, laut zu weinen und der kleine Krause fing mit an zu heulen. Es war das reine unterbrochene Opferfest. "Warum bist Du denn so böse, Mamma?" flennte Emmi. "Ach was!" sagte ich, "wie könnt ihr so dummes Zeug aufführen?" "Bloß dumm?" fragte Frau Heimreich "Wo habt ihr das Stück her?" inquirierte ich. - "Vom Buchbinder!" antwortete Emmi und brachte mir ein Büchlein, dessen Titel lautete: "Eine leichte Person. Posse in drei Akten von Büttner und Pohl. Für Kindertheater bearbeitet von Dr. Sperzius, Neu-Ruppin, Verlag von Oehmigke & Riemschneider". - " Das wird ein schöner Doktor sein, der Spuzius oder Sperenzius", sagte Frau Heimreich. "Schämen sollte er sich." - Nun mischte sich Onkel Fritz ein. "Eine gute Posse", sagte er, " sie ist viel großen Bühnen gespielt worden." -
"Jawohl!" rief ich, "eine Posse für einzelne Herrn! Aber was Dir als ledigen Junggeselle gefällt, braucht deshalb noch nicht gut zu sein! ich hoffe nicht, daß Du sie kennst, Karl?" fragte ich meinen Mann. Er erinnerte sich nicht genau.
Frau Heimreich bohrte wieder nach. Ich als Mutter hätte nicht dulden dürfen, daß solche Bücher in mein Haus kämen, worauf ich sagte, ich hätte mehr zu tun, als darauf aufzupassen; bei mir könnten die Leute, die uns besuchten, ihren Namen nicht anstatt der Visitenkarte in den Staub schreiben , der anderswo fingerdick auf den Möbeln läge. Ein Wort gab das andere und sie verließ uns, indem sie sagte, sie würde nie wiederkommen, auch ihren Kindern erlaube sie nicht, ein derartiges Gomorrha zu betreten, wie unser Haus sei. Eigentlich war's mir recht, denn meine beiden sind doch schon zu groß für Heimreichs drei Jüngste, und wenn die Heimreichen sich auch mit ihrer Moral brüstet, glaube ich doch, sie ist nur solange fromm, als sie am Sonntag in der Kirche sitzt.
Die Kinder weinten schrecklich, als Heimreichs gingen. ich gab ihnen Schokolade und Kuchen, obwohl sie gerade genug gehabt hatten; aber bei Kindern ist immer noch ein Platz, und das war in diesem Fall sehr gut, denn so wurden die wenigstens ruhig... Krauses blieben, und als wir wieder in der guten Stube saßen, kam die Rede natürlich auf das infame Buch, das soviel Unheil angerichtet hatte. Herr Krause meinte, es sei unverantwortlich, solches Zeug den Kindern in die Hände zu geben. Onkel Fritz entgegnete, die seien viel zu dumm, sie wüßten noch gar nicht, um was es sich handele. "Aus kleinen Kindern werden Erwachsene!" sagte mein Mann. - "Jugendeindrücke haften fürs ganze leben!" setzte Frau Krause hinzu. - "Die Kinder hätten ja bloß 'Schneewittchen' oder 'Rübezahl' aufzuführen brauchen," rief ich, "daß ihnen auch gerade so eine Dummheit wie die 'Leichte Person' in die Hände geraten mußte!"
Onkel Fritz meinte, wir hätten die Kinder ruhig zu Ende spielen lassen sollen. Das wäre das beste gewesen. Das Aufsehen war ganz unnötig. - Ich wusch ihm aber nicht schlecht den Kopf, denn Onkel Fritz ist mein jüngster Bruder. Sein albernes Theater sei an allem schuld. Er wälzte es aber von sich auf den Buchdrucker und Dr. Sperenzius, oder wie er heißt, ab. Es gab eine allgemeine Verstimmung. Nun frage ich Sie, Herr Redakteur, ist es zu verantworten, daß Fabrikanten und Händler unter der harmlosen Bezeichnung 'für Kindertheater bearbeitet' Schriften zum Verkauf bringen, die für die Kinderwelt passen, wie die Faust auf's Auge? Wo ist ein Gesundheitsamt gegen die Verfälschung geistiger Nahrungsmittel?
Ihre ergebene Wilhelmine Buchholz geb. Fabian
P.S. Das Buch füge ich bei. Sie sehen, daß ich die schlimmsten Stellen noch gar nicht angeführt habe.