Gottfried Keller (1819-1890)
Lebenserinnerungen
Als ich im dreizehnten Jahr mit Nachbarssöhnchen die üblichen Puppenspiele betrieb, und die Stücke zu fehlen begannen, erfand und schrieb ich ohne Anstoß sofort eine Anzahl kleiner Dramen, zu denen ich gleich die Szenerien herstellte. Das größte Vergnügen gewährte der Schmelzofen für einen "Fridolin oder der Gang nach dem Eisenhammer"; hinter dem schwarzen Ofenloch glühte ein rotes Feuermeer, hervorgebracht durch bemaltes Strohpapier und ein dahinter stehendes Lichtchen. Dort wurde der Bösewicht unnachsichtlich hineingeschoben. Dieser Effekt gefiel mir so gut, daß noch jetzt ein Manuskriptchen da ist, welches eine eigentliche Teufels- und Höllenkomödie enthält, deren Dekorationen ganz aus feurigen Wänden mit einem dunklen Höhleneingange bestehen sollte, bekleidet mit Totengerippen etc. Das Titelblatt lautet: 'Kleine Dramen. I. Der Hexenbund. Nebenspiel für kleine Theater.' Die drohende Fruchtbarkeit hielt jedoch nicht lange vor; denn in demselben Büchlein finde ich nur noch den Anfang eines Schauspiels 'Fernando und Bertha oder Geschwistertreue', in welchem ein Schildknappe Hugo gleich ins Zeug geht, indem er auftritt und zu einem anderen sagt: 'Nun willkommen also noch einmal, alter Waffenbruder!' und eine längere Rede verständig also endet: 'Und nun laß uns fröhlich zusammen den vollen Becher leeren, wie wir vor sechs Jahren es taten!', und schließlich erscheint noch ein Plan zu einer Tragödie: 'Elinzene'. Der Plan besteht aber nur aus einem Personenverzeichnis, worunter ein 'Osmann, Oberhaupt der Geistlichkeit, Mufti' und eine 'Elinzene, seine einzige Tochter.‘